Kritiken

16.04.2002

Gitarrenkonzert im Kaisersaal:

Joachim Gassmann begeisterte

 

Was immer der Gitarrist Joachim Gassmann am Samstagabend im Kaisersaal auch spielte, es war vor allem Joachim Gassmann: Der warme Klang, in der Melodiestimme, vor allem in den Spitzentönen, weich mouilliert, in der Begleitung klar und gleichmäßig, dynamisch vom leisesten Piano, das in der für dieses Instrument idealen Kaisersaalakustik überall hörbar war, bis zum kräftigen Forte variiert, aber ohne Brutalität und Schlagwerkeffekte, sodass nur wenig Material hörbar wurde, hüllte die Hörerschaft ein - Musik zum Wohlfühlen, zum Träumen, aber auch zum genauen Hinhören. Und es spielte ein Mensch, kein perfekter Automat, dem z.B. durch die wegrutschende Fußstütze irritiert, im dritten Bach-Satz das Tempo etwas davonlief, Abweichungen vom Gassmann-Klang gab es eigentlich nur bei der Einleitung zu J. Rodrigos Invocaciön y danza durch eine Tongebung wie mit dem Lautenzug des Cembalos trocken abgedämpft. Fernando Sor, an der berühmten Escolania des Klosters Montserrat bei Barcelona ab 1790 ausgebildet, komponierte in seinem durch politische Verfolgung bewegten Leben Werke aller Art, die aber bis auf seine Kompositionen für Gitarre vergessen sind, während letztere zum eisernen Bestand des Unterrichts und der Konzerte mit der klassischen Gitarre gehören. Es erklangen zunächst aus den Menuetten op. 11 die elegische Nr. 7 in a-moll und die fröhlichere Nr. 6 in A-Dur, wie die nach dem Bach folgende Fantasie op. 59 aus romantischem Geist geboren. Mit dieser Fantasie "Elegiaque" verabschiedete sich der 58-jährige Sor von einer Londoner Pianistin, die er wohl sehr geschätzt haben muss, nach einer dramatischen Einleitung, zwei liedartigen Abschnitten und einer Figuration über einem ständig wiederholten Ton in mittlerer Lage mit einem Trauermarsch in der üblichen Dreiteilung mit Dur-Mittelteil. Obwohl rund 100 Jahre früher entstanden, passte Johann Sebastian Bachs Präludium, Fuge und Allegro Es-Dur BWV 995 für Laute durchaus zwischen die Werke Sors, nicht zuletzt wegen der Gemeinsamkeiten, die durch die Spieltechnik des Instrumentes und seinen Klang vermittelt werden. Das Präludium läuft quasi unaufhaltsam wie ein perpetaum mobile bis zu einem Ruhepunkt und läuft dann noch einmal an. Der anschließende, Fuge benannte Teil, beginnt tatsächlich mit einer kurzen nach Vorschrift gebauten Fuge, der dann aber zumeist zweistimmige Abschnitte folgen, die strengen Kontrapunkt wie 4 gegen 1 oder 2 gegen l im Wechsel mit differenzierteren Formen, immer mit Bezug auf das Fugenthema, vorführen. 

 

 
Es folgt das großartige Allegro, das man sich auch gut - wie das gesamte Werk - auf dem Cembalo vorstellen könnte. Nach der Pause spielte Gassmann 12 Präludien des Spaniers F. Tarrega aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts - Kabinettstückchen, teilweise sehr kurz, die wie fast immer bei Sätzen mit dieser Bezeichnung nicht Vorspiel, Hinführung zum Folgenden sind, sondern eigenständige in sich abgeschlossene Werke, bei Tarrega kleine Welten, jeweils einen Gedanken vorstellend, wobei die kompositorischen Mittel auch größeren Formen entnommen sein könnten. Die Überschriften geben Hinweise auf den jeweiligen Stimmungsgehalt oder auf die Herkunft des Gedankens, so z.B. bei Nr. 3 der Hinweis auf Schumann, den man dann auch zu hören meint. Natürlich benutzt der wiederum fast 100 Jahre spätere J. Ro-drigo modernere Mittel, aber sehr gemäßigt, und bleibt auch damit im Charakter der klassischen spanischen Gitarrenmusik. Der erste Teil der Invocacion (Anrufung) wirkt improvisierend; wiederholt gebremste Lauffiguren leiten über zu einem Abschnitt, in dem Mandolinen artige Tonwiederholungen die Eindringlichkeit steigern, während der folgende spanische Rundtanz im Schluss das Einleitungsmotiv aufgreift. Ein völlig anderes Publikum als man es sonst im Kaisersaal sieht, war begeistert und er-klatschte sich drei Zugaben, was allerdings Joachim Gassmanns kleine Tochter, nachdem sie das Konzert bewundernswert artig überstanden hatte, so daneben fand, dass sie unter Protest an Mutters Hand den Saal verließ. Davon nur wenig irritiert spielte Vater noch eine Mazurka von Tarrega und zwei wunderhübsche Etüden von Fernando Sor. Wolfgang Martini
 
Joachim Gassmann • Im Wiesengrund 15 • 27726 Worpswede
Tel. 04792 / 950795 • This e-mail address is being protected from spam bots, you need JavaScript enabled to view it