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Glanzlichter der Gitarrenmusik
Joachim Gassmann spielt in Nordwohlde - 20.06.03
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Die kleine, akkustisch überaus günstige Kirche in Nordwohlde beherbergte am Freitag abend für zwei Stunden einen musikalischen Schatz: Der Gitarrist Joachim Gassmann (Worpswede) spielte auf einem Instrument des nun schon sagenumwobenen José Ramirez Musik des 18. und 20. Jahrhunderts. Das „Chamäleon Gitarre", wie Gassmann selbst sagte, hat im Laufe seiner Entwicklung viele Veränderungen erfahren, so daß das Instrument, für welches Robert de Viseé um 1700 schrieb, erheblich anders klang als unsere heutige Konzertgitarre, deren Konstruktion gerade mal ca 150 Jahre alt ist. Dennoch (oder gerade deswegen) vermochte Gassmann diese Suite in g – moll den Zuhörern so nahe zu bringen. Die einzelnen Suitensätze stellte er nicht nur in ihren verschiedenen Charakteren stilistisch überzeugend dar, sondern schaute hinter die Musik, gleichsam in ihre Seele. Dies ist etwas, was selbst bei absoluter stilistischer Treue und genau studierte historischer Aufführungspraxis nur selten gelingt. Das zweite zyklische Werk des Abends, Bachs Präludium, Fuge und Allegro (BWV 998) hatte der Komponist für das Schwesterinstrument der Gitarre - die Laute komponiert. Selten gibt es einen Komponisten , dessen Werke sich ohne Verlust auch auf andere Instrumente übertragen lassen. Aber bei Bach gewinnt jede Übertragung eines Werkes demselben neue Dimensionen hinzu. Die frohe Gelassenheit des Präludiums bereitete den Zuhörer auf die Strenge der langen Fuge vor, die dann ihrerseits von der Vitalität des Allegro abgelöst wurde. Der mit absoluter Sicherheit spielende Gitarrist konnte die einzelnen Stimmen der Fuge sehr plastisch herausarbeiten und deren Entwicklung eindrucksvoll darstellen, beim Allegro aber gelang es ihm, den „feurigen Bach" zu zeigen, wie er wohl als junger Virtuose auf der Orgel oder dem Cembalo gewesen sein mag.
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Da kamen dann die Qualitäten der „spanischen" Gitarre zum tragen. Der erste Teil schloß mit dem „Tombeau sur la morte de Comte de Logy" (1721) von Silvius Leopold Weiß , einem Bach nahestehenden Lautenisten und großen Improvisator, ab. Dieser Trauermarsch, der in der historischen Wiedergabe äußerst langsam gespielt werden würde, erschien hier fließender, runder, ja romantischer und auch ein wenig glatter als in der Originalversion für die Laute. Nach der Pause wechselte des Programm in den spanischen und südameri-kanischen Kulturraum und begann mit vier Etüden des Brasilianers Heitor Villa – Lobos.
Er hatte sie 1929 unter dem Einfluß seiner Eindrücke eines Aufenthaltes in Paris geschrieben und behandeln sein großes Thema , nämlich die musikalischen Wurzeln seiner brasilianischen Heimat mit der Klangwelt Europas ( insbesondere Bachs) zu verbinden. Wie gut ihm das gelungen ist wird im Abstand der Jahre immer klarer, aber auch besonders in der Interpretation am Freitagabend.Da klingen Bachsche Preludien an und impressionistische Klangemälde verschmelzen zu einem persönlichen Stil, der einzigartig ist. Joachim Gassmann kehrte dann am Schluß des Programms, das er mit fundierten und gleichwohl unterhaltsamen Erläuerungen begleitete, nach Europa zurück und zeigte mit der Homenaje von Manuel de Falla und der Sonata op.61. von Joaquin Turina zwei „Klassiker" der spanischen Musik des Spätimpressionismus. Das war nicht platte Kopie von Folkore, sondern Extrakt musikalischer Strömungen eines Kulturkreises von den Komponisten in Musik aufbereitet. Auch hier ließ uns der technisch versierte Gitarrist hinter die Musik blicken und verabschiedete sich nach viel Applaus mit einer Etüde von Fernando Sor.
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