02. Juli 2012
Zerbrechliche Töne
Der Gitarrist Joachim Gassmann war in Alt Ruppin zu Gast
ALT RUPPIN - Die Zeit scheint still zu stehen, die Hektik des Alltags
ist vergessen. Die Gedanken versinken in einem Strudel zerbrechlicher
Töne.
Mehr als 300 Jahre Musikgeschichte liegen zwischen den Werken der
Komponisten Pisador, Bach und Rodrigo – der international renommierte
Gitarrist Joachim Gassmann vereinte sie am Sonnabend zu einem homogenen,
harmonischen Kunstwerk.
Während direkt vor der Kirchentür der Alt Ruppiner Nikolaikirche die
Autos vorbeibrausten, erweckte der Musikpädagoge der Bremer Hochschule
der Künste auf seiner Vihuela die Töne aus dem 16. Jahrhundert wieder
zum Leben. Dass nur dreißig Besucher am warmen Sommerabend den Weg in
die Alt Ruppiner Kirche gefunden haben, schien ihn nicht zu treffen.
Aufrecht und selbstbewusst ließ der klassisch geschulte Musiker die
Finger über die Saiten seines historischen Instruments gleiten.
Die Vihuela de mano spielte in Spanien in der Zeit der
Hochrenaissance die gleiche Rolle wie im übrigen Europa die Laute. Mit
der Rückeroberung muslimisch beherrschter Teile der iberischen Halbinsel
durch die spanischen Christen verschwand die Laute aus der spanischen
Musizierpraxis.
„Wenn ich doch nur meine Melancholie loswerden könnte“ – so lautet
übersetzt der Titel eines Stücks des spanischen Vihuelisten Luys de
Narvaez, der als Hofmusiker im Dienst von König Philipp II. stand.
Doch Joachim Gassmann verdrängte mit seinem Spiel alle negativen
Gedanken und ließ den Melancholiker zum scheinbar glücklichsten Menschen
werden. Die Alt Ruppiner erlebten ein Konzert voller Anmut, technischer
Brillanz und Intimität.
(Von Cornelia Felsch)
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