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Aus den KIELER NACHRICHTEN

26. November 2001

Zart wie ein Lufthauch

Der Gitarrist Joachim Gassmann / im KulturForum

Während keine 500 Meter entfernt ein walzernder Strauß-Geiger die Ostseehalle füllt, muss Joachim Gassmann im Kulturforum mit knapp 30 Gästen vorlieb nehmen; obwohl auch Gassmann klassisch geschult ist, obwohl Gassmann, mit Ausnahmen, ebenfalls Musik aus der Zeit des König des Dreiviertel-Takts spielt, obwohl auch Gassmann eine zwar sehr introvertierte, aber nicht minder charmante Bühnenpersönlichkeit ist. Aber der Kommerz bellt nun mal lauter als die Kleinkunst.
Dem Lehrbeauftragten für Musikpädagogik der Hochschule für Künste in Bremen reicht seine Gitarre; unverstärkt, versteht sich. Da sitzt er dann, seine Haltung ebenso klassisch und fehlerlos wie seine Fingerarbeit, das kräftige Kinn stolz in die Höhe gestreckt. Gassmann spielt Bach, Kompositionen des Spaniers Fernande Sor aus dem frühen 19. Jahrhundert, Präludien von Tárrega und mit Joaquin Rodrigos Inovocaciòn y danza auch einen modernen Komponisten. Ein Streifzug durch knapp 300 Jahre Musikhistorie, der erstaunlich homogen und harmonisch erscheint.

 

Gassmann hat die Gabe, sich ganz der ästhetischen Wirkung der Klangfarben hinzugeben. Eine Fähigkeit, die die Seele der Musik atmen lässt, bevor sie von allzu viel historischer Diktion erstickt wird. Natürlich ist Gassmanns Spiel korrekt, aber er arbeitet das Wesen der Kompositionen so unprätentiös und doch durchdringend heraus, dass Epoche und Stil nebensächlich werden. Zart wie ein Lufthauch schwingen die Töne durch den in Ruhe erstarrten Konzertsaal. Magisch verbinden sich Tango und Totentanz in Rodrigos Inovocaciòn y danza, und Tárregas Präludium Lagrima in E-Dur entlockt der Tonart eine ganz ungewöhnliche Trauer. Berauschende Melodien ganz ohne Hast und Eile. Bei Gassmanns Spiel steht die Zeit still. Wer mag, kann sich an der technischen Brillanz des 48-jährigen erfreuen, wer kann, schließt die Augen und gibt sich dem musikalischen Moment hin. Gassmann versinkt förmlich in der Musik und zieht das Publikum ganz sachte mit hinab in einen Strudel der Assoziationen.
Ein fabelhaft leises Konzert, intim, zerbrechlich und von ungeheurer Anmut. Viel mehr kann ein klassischer Sologitarrist kaum leisten.

 
Joachim Gassmann • Im Wiesengrund 15 • 27726 Worpswede
Tel. 04792 / 950795 • This e-mail address is being protected from spam bots, you need JavaScript enabled to view it